Mittwoch, 23. August 2017

Georgischer Reisekomfort (Lentechi - Kutaisi)

26 Personen in einem alten Mercedes Sprinter mit hoher Geschwindigkeit auf einer kurvigen Bergstraße. Was klingt wie Menschenschmuggel, ist der öffentliche Nahverkehr in Georgien. Beziehungsweise nicht-öffentlich, das ganze System wirkt doch recht informell. Wobei System auch wieder ein großes Wort ist. Unsere Guesthouse-Gastgeberin hat uns vier Plätze im 8:30 Uhr-Bus reserviert. Für 7 Lari pro Person. Um 8:12 Uhr steht der volle Bus vor der Tür und hupt, damit wir endlich kommen. Schnell alles zusammenpacken und runterrennen. Zähneputzen wird eh überschätzt. Der Fahrer bindet unser Gepäck aufs Dach, wir klemmen uns irgendwie in den Bus. Die Knie passen nicht hinter den Vordersitz, so eng ist es. Aber was nicht passt wird passend gemacht.




Nach zwei Stunden Fahrt kann ich Beine und Po nicht mehr spüren und mich nicht mehr bewegen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht verlassen wir in Kutaisi den Scheißbus. Der Busfahrer verlangt deutlich mehr Geld, als vorher vereinbar war. Kriegt er aber nicht. Zur Strafe müssen wir selber aufs Dach klettern und unser Gepäck runterholen. König Busfahrer schaut von unten zu und grinst.


Der selbsterklärte Busbahnhof von Kutaisi, immerhin die zweitgrößte Stadt des Landes, ist ein großes Chaos aus kleinen Bussen, Marktbuden und alten Männern, die Zementsäcke schleppen. Die „Busse“ sind allesamt alte Mercedes Sprinter und Ford Transit, die Fahrtziele sind nur mit georgischen Buchstaben angeschrieben. „Normale“ große Busse scheint es in ganz Georgien nur für Reiseveranstalter zu geben, der Überlandverkehr wird mit unbequemen alten Minibussen abgewickelt.


Aber zum Glück gibt es ja eine Eisenbahn. Und Katasi hat einen Bahnhof. Dank Reiseführer und Neoplan-Midibus, der noch den Aufkleber „Wenn Sie wollen, halten wir auch an der nächsten Laterne“ des deutschen Vorbesitzers trägt, kommen wir vom 4 km entfernten Busbahnhof durch das nicht sonderlich attraktive Stadtzentrum zum gut versteckten Zugbahnhof. Als ich die nur für wenige Sekunden auf lateinische Buchstaben umspringende Abfahrstafel fotografieren will, damit wir sehen können, wann der nächste Zug Richtung Tbilisi fährt, kriege ich erstmal einen Anschiss. Staatliche Infrastruktur darf wohl nicht ausspioniert werden… Zum Glück ist die Frau am Schalter freundlicher und kann uns auch ohne Englischkenntnisse vier Fahrkarten für einen Zug verkaufen, der tatsächlich in 45 Minuten losfährt. An ihrer Scheibe hängt der „New Train Schedule“, der auf einer DIN A4-Seite den gesamten Bahnfahrplan Georgiens zusammenfasst. Ich darf ihn fotografieren. Und wir dürfen Zug fahren, eine weitere Minibustortour bleibt uns erspart.


Der alte sowjetische Abteilwagen hat weder eine Klimaanlage, noch lässt sich das Fenster öffnen. Schweiß fließt die Stirn runter. Schweiß rinnt die Arme runter. Schweißtropfen kitzeln auf der Brust. Die Hose klebt. Ich weiß nicht, wie ich Tagebuch schreiben soll, ohne das Tagebuch zu verkleben. Am besten höre ich auf zu schreiben, genieße die derzeit 12km/h schnelle Fahrt und freue mich, dass der Uraltwaggon VIEL bequemer ist als alles andere, was wir in Georgien bislang gefahren sind.




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