Dienstag, 22. August 2017

Currywurst wird dich erlösen (Mestia - Lentechi)

Alle haben immer gesagt, die Straße wäre nicht passierbar. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat uns einfach über diese Straße gefahren. Und sich dafür ein ordentliches georgisches Monatsgehalt verdient. Das er sich aber wirklich verdient hat.

Wenn um 6:40 Uhr der Wecker klingelt und man erst um 10 Uhr den Ort verlässt, dann kann das Transportsystem nicht so richtig effizient sein. Größter Aufreger während des zähen Wartens in Mestia war, dass der Ford Transit, in dem unser Gepäck schon drin war (wir hatten mit dem Fahrer vereinbart, dass wir ins Café Laila frühstücken gehen), plötzlich einfach verschwunden war. Spurlos weg, nicht mehr auffindbar. 

Der Bus ist zurück, der alte Fahrer kriegt vom scheinbaren Chef der sogenannten Kleinbusstation – dessen Qualifikation für den Chefposten darin besteht, dass er im Gegensatz zu den Fahrern ein bisschen Englisch kann – einen ordentlichen Anschiss. Und startet nun doch mit nur uns vieren an Bord, ohne zu warten, bis der Bus voll ist. Aber statt in die richtige Richtung zu starten, machen wir erstmal zwei Wendemanöver. Und landen schließlich auf dem Gelände einer Tankstelle. Wo der alte Mann schon wieder verschwindet. Der Transit hat schon rund 650.000 Kilometer auf dem Tacho. Es wirkt nicht so, wie wenn heute noch viele dazukommen würden…

Als neben uns ein Minivan anhält, machen wir schon Witze, dass wir vermutlich schon an den Minivanfahrer weiterverkauft wurden. Zehn Minuten und eine erfolglose Verhandlungsrunde später sitzen wir tatsächlich im Allrad-Mitsubishi, in dem wir für ein halbes Vermögen in den nächsten 6 Stunden 72 Kilometer zurücklegen werden. Auf der verrücktesten Straße, die ich je gefahren bin. Wobei Straße ein großes Wort ist. Flussquerungen, grobe Steine, Staub, Monster-Schlaglöcher, Gegenverkehr. Ich bin froh, dass ich weder der Fahrer noch das Auto war. Und noch froher, dass wir ein gutes Auto und einen hervorragenden Fahrer hatten. Mit seinem T-Shirt-Aufdruck „Currywurst wird dich erlösen“ hatte er bei uns natürlich sofort einen Stein im Brett. So unnachgiebig er bei den Preisverhandlungen war, so informativ und großzügig war er dann unterwegs. Hier noch ein Fotostopp mit Gletscherblick, dort noch ein Fotostopp mit Gruppenfoto auf der Passhöhe, hier ein kurzer Aufenthalt mit Besichtigung des „Tower of Love“. Und eine halbe Stunde Aufenthalt im wunderbaren Ushguli, wo wir uns wie Kreuzfahrttouristen auf Landgang durch den Ort fotografieren, der auf uns Westler wie ein Mittelalter-Museum wirkt. 100 Jahre alte Bäuerinnen, 1.000 Jahre alte Wehrtürme, 5.000 Meter hohe Berge und überall Schweine, Pferde, Hühner und Kühe auf den Wegen. So hat man sich den Großen Kaukasus vorgestellt, so ist er auch. Noch. In zehn Jahren wird es hier vermutlich eine asphaltierte Straße und unzählige Guesthouses geben. So wie heute schon in Mestia. Aber bis dahin sind wir ja längst über alle Berge. Und was für schöne Berge. Teilweise sieht es hier aus wie in den Alpen, aber ohne Hochalmen, Berghütten, besiedelte Talböden und Autobahnen. Einfach nur Natur. Inklusive beeindruckender Fünftausender, deren Gletscher zwar offensichtlich auch Opfer des Klimawandels sind, aber noch nicht tot. Zum Glück habe ich für den neuen Foto eine große Speicherkarte dabei.

 
 



















Dass die Straße auch für Einheimische ziemlich geil sein muss, haben wir spätestens dann gemerkt, als unser Currywurst-Fahrer sein Handy aus der Tasche gezogen hat, um Videosequenzen von den steinigen Passagen zu drehen. Alle gemeinsam laut lachen mussten wir, als auf dem Pick-Up, den wir eingeholt hatten, die sich auf der Ladefläche sonnenden Mädels schnell was drübergezogen haben, als sie unser Auto bemerkt hatten. Lustig war auch, als der Fahrer während der Fahrt aus dem offenen Fenster einen Blumenstrauß zusammengepflückt hat. Wir werden ihn vermissen – und die Fahrt mit ihm als bislang größten Urlaubshöhepunkt in Erinnerung behalten.











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