Donnerstag, 17. August 2017

Ost-Anatolien

Wir sitzen mal wieder in unserem geliebten Speisewagen und trotzen mit heißen Getränken der kalten Klimaanlage. Erzurum und das zugehörige Starkregen-Gewitter liegen bereits hinter uns, der Zug bummelt gerade durch Horasan. Großes Militärsperrgebiet, gackernde Hühner auf den Schotterstraßen – und überall werden neue Häuser gebaut. Dass sich die Türkei angeblich neuerdings in einer schweren Wirtschaftskrise befindet, hat sich scheinbar noch nicht bis Ostanatolien durchgesprochen – hier wird weiterhin gebaut, gebaut, gebaut, gebaut. Neue Autobahn, neue Hochhäuser, großes Einkaufszentrum in Erzurum – und selbst unsere Bahnstrecke wurde offensichtlich in den letzten Jahren parallel zur alten Strecke neu gebaut – allerdings erneut eingleisig und nicht elektrifiziert.

Die Landschaft ist hier oben (wir befinden uns derzeit auf etwa 1.700 Metern Höhe, der höchste Punkt der Strecke wird etwa 2.250 Meter hoch sein) recht karg. Das Getreide ist schon geerntet. Vereinzelt stehen größere Ansammlungen von Kühen in der Gegend rum. Im Talboden stehen vereinzelt Bäume, am Horizont hohe Berge. Mehr ist nicht. Neben dem Bahngleis verrotten alte Verladerampen, anscheinend werden die landwirtschaftlichen Güter – genau wie ein Großteil des Personenverkehrs – heutzutage auf der Straße abgewickelt. Dafür braucht man viel Öl. Das gibt es am Kaspischen Meer. Um es leichter in die Türkei transportieren zu können, wird eine Bahnstrecke von Kars nach Georgien gebaut. Die Eisenbahn ausbauen, damit man mehr Auto fahren kann? Die Theorie kam mir gerade, als wir an einer Tankstelle vorbeigefahren sind.

Wir vier profitieren von der neuen Bahnstrecke noch nicht: Weil sie auf der georgischen Seite noch nicht fertig ist, müssen wir ab Kars mit dem Bus weiterfahren. Von Kars trennen uns noch knapp drei Stunden, die aktuelle Verspätung beträgt 65 Minuten. Das Tagebuch werde ich in den nächsten drei Stunden besser geschlossen halten, der Regen ist nämlich wieder deutlich stärker geworden und einzelne Tropfen finden den Weg durch die Scheibe in den Speisewagen.

Als wir bei Dunkelheit in Kars ankommen, regnet es noch immer. 25 Stunden Fahrt, Nikotinduft und die versifften Zugtoiletten liegen hinter uns. Was vor uns liegt, werden wir erst morgen früh bei Helligkeit sehen.











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