Donnerstag, 31. August 2017

No pictures! (Baku)

Es war heute in Baku verdammt heiß. Trotzdem bin ich mit der Stadt irgendwie nicht warm geworden. Wunderschön ist die Stadt. Aber nicht unbedingt sympathisch. Die Gegensätze zwischen Innen- und Außenbezirken sind eher erschreckend als interessant: Hier zu Tode sanierte Altstadt- bzw. Altbausubstanz, dort Armut, unsanierte Plattenbauten und unangenehme Gerüche. Hier noble Restaurants mit dem höchsten Preisniveau der bisherigen Reise, dort Menschen, die in Mülltonnen nach Essbarem suchen. Die Milliardeneinnahmen aus dem Öl- und Gasexport kommen offensichtlich nicht überall an. 

Hätte ich mir nur die Alt- und Innenstadt angeschaut, dann wäre ich auch völlig erschöpft von der absurden Hitze und vollends genervt, vor allem von den penetranten Taxifahrern. Da ich aber unbedingt mit der U-Bahn (leider gibt es auch in Baku weder Straßenbahnen noch einen Buslinienplan, sodass Fortbewegung an der Oberfläche eher schwierig ist) in die Außenbezirke fahren wollte, bin ich zusätzlich um eine Anekdote reicher: Von sämtlichen U-Bahnstationen in Baku ist nur eine einzige oberirdisch, Bakmil. In sämtlichen U-Bahnstationen in Baku herrscht Fotografierverbot – was sehr schade ist, weil sowohl die sowjetische Architektur als auch die zugehörigen Züge durchaus attraktiv sind. Aber einen oberirdischen Bahnhof kann und darf man ja von außen aus einiger Entfernung fotografieren. Dachte ich. Der Polizist war anderer Meinung. Er taucht plötzlich aus dem Nichts auf, ruft und winkt mich zu ihm. Und textet mich zu. Ich verstehe kein Wort, aber die Geste, dass man hier nicht fotografieren darf, ist klar. „Do you speak English?“, frage ich, um ihm zu signalisieren, dass ich ihn nicht verstehe. – „No, because I’m Russian.“ Alles klar. Ein potenzieller U-Bahnfahrgast wird als Dolmetscher herangezogen. Es bleibt leider nicht bei der Ermahnung, ich muss die Fotos löschen. Es war ein schönes dabei… Ich frage, warum man U-Bahnhöfe eigentlich nicht fotografieren darf. „Because it’s the government.“ Alles klar. Ich stelle keine weiteren Fragen und bedanke und entschuldige mich. Der Übersetzer begleitet mich auf den Bahnsteig und fängt dort an, sich für mich zu interessieren. Ich bin Tourist? Woher? Was mach ich in dieser Gegend der Stadt, wo es hier doch überhaupt nichts Interessantes zu sehen gibt?
Ich versuche mir meinen Verdacht, dass es sich um die Befragung durch einen Zivilpolizisten handeln könnte, nicht anmerken zu lassen. Die extrem hohe Dichte an Polizei- und Sicherheitspersonal in Baku erhöht nicht mein Sicherheitsgefühl, sondern meine Paranoia. Was will diese Diktatur von mir? Ich beantworte alle Fragen, verschweige aber bei der Reiseroute den Armenien-Aufenthalt. Ich will mich nicht noch verdächtiger machen, indem ich berichte, dass ich beim verhassten Kriegsgegner war.

Allmählich entwickelt sich ein echtes Gespräch und er gibt mir auf dem Stadtplan ein paar Empfehlungen, wo es sehenswert ist. Ich bedanke mich für die tatsächlich hilfreichen Hinweise – aber werde an der nächsten Station natürlich trotzdem erstmal in die Gegenrichtung umsteigen, weil ich da noch nicht war und ich den Wunsch habe, „alles“ zu sehen und nicht nur das, was die Touristen sehen sollen. Was ich ihm so natürlich nicht sage. Wahrscheinlich ist er wirklich nur ein netter Aserbaidschaner, der mir helfen wollte, und kein Geheimdienst- oder Polizei-Spitzel. Aber man kann ja nie wissen. In den nächsten Stunden werde ich auf jeden Fall ein bisschen genauer darauf achten, was ich fotografiere und wer mich dabei beobachtet und wer mir mehrmals begegnet.













(Picasa-)Fotos von Bakmil Station findet man übrigens in Google Earth. Die Koordinaten: 40°24'50.91"N; 49°52'44.17"E.

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